1. Beginn des Feuerlöschwesens im Amt Schlitz

Tacitus’ Spruch vom „freien Raum um das Haus herum“ trifft nach der Stadtwerdung auch auf Schlitz nicht mehr zu. Eingeklemmt in die Stadtmauern steht im 16./17. Jahrhundert Haus an Haus, meistenteils - wie heute noch sichtbar - sogar ineinander verschachtelt.

Stein ist der Baustoff des Grafen, Ziegel als Dachbedeckung ein Luxus. Gebaut wird aus Holz. Wer sich eine stabile Fachwerkkonstruktion leisten kann, füllt die Gefache mit Fitzgerten und Lehm;Dächer werden mit Stroh oder Holzschindeln gedeckt. Je ärmer die Leute sind, desto einfacher ist auch die Bauweise der Häuser. Dies gilt für Schlitz, wie auch für die Dörfer.

Feuerstellen sind vielmals offen und schlecht gesichert. Sie dienen aber nicht nur zum Kochen und Wärmen, hier wird auch Flachs getrocknet, der, weiterverarbeitet, in dem Leinenweberstädtchen zum Weben benötigt wird. Genug Gefahrenquellen, durch die bei Unachtsamkeit ein Brand entstehen kann. So ist es auch im Schlitzerland notwendig, Brandschutzbestimmungen zu erlassen.

Eine der ältesten Vorschriften, die unter den Begriff Brandprävention eingeordnet werden kann, entstammt der Pfordter Nachbarseinigung von 1558: Zur Kirchmess soll in der Gemeinde ein jeder von Freitag bis Dienstag Wasser in einem Gefäß vor dem Haus stehen haben.

Die Einigungen der anderen Dörfer stammen aus der Zeit zwischen 1660 und 1690. Hier nimmt der Brandschutz schon mehr Raum ein. Verboten oder kontrolliert wird das, von dem die größte Gefahr ausgeht: Feuer im Freien, brennende Fackeln und die Feuerstellen im Haus. In Niederstoll, Ützhausen, Hemmen, Rimbach und Bernshausen werden von den Heimbürgen alle vier Wochen die Feuerstätten besehen, in Hutzdorf alle sechs Wochen. Für Queck ist kein Zeitraum der Beschau angegeben.

Das „Dreschen beim offenen Licht“ ist ebenso untersagt, wie die Kombination von Trinken und Rauchen. Dieses Verbot, das sogenannte „Tabakstrinken“, ist - wer weiß warum - extra in der Nachbarseinigung von Üllershausen erwähnt. Diese Regeln der Nachbarseinigungen werden von der Dorfgemeinschaft aufgestellt, von der Herrschaft genehmigt und gelten nur in dem jeweiligen Ort. Für die Stadt Schlitz sind solche Regelungen nicht überliefert.

1.1 Die Backofenverordnung

Die erste von der Herrschaft erlassene und für alle Schlitzerländer Ortschaften gültige Feuervorschrift befaßt sich mit dem Backen. Bis Ende des 17. Jahrhunderts hat noch fast jeder Schlitzerländer Hof einen eigenen Backofen. Der mit Stroh gedeckte Ofen dient nicht nur zum Backen, sondern auch zum Trocknen des Flachses. Da jeder einzelne Ofen natürlich auf Backtemperatur vorgeheizt werden muß, besteht ein großer Holzbedarf. Holz wird aber auch als Baustoff benötigt und ist knapp, da es einen Nutzwald im heutigen Sinne nicht gibt. Abhilfe schaffen die Grafen mit der „Backofenverordnung auf dem Lande betr.“:

Alle privaten Backöfen sind innerhalb von vier Wochen abzuschaffen und dafür „ ...ein oder mehrere gemeine Backhäuser nach der Größe eines jeden Dorfes sobald thunlichst aufzurichten“. Die „gemeinen Backhäuser“ müssen auf einem freien Platz stehen, um bei einem Brand ein Übergreifen des Feuers auf ein anderes Gebäude zu vermeiden.

Neben dieser Backofenverordnung erscheinen Ende des 17./ Anfang des 18. Jahrhunderts noch verschiedene kleinere Bauvorschriften, die als Brandschutzbestimmungen ausgelegt werden können.

1726 werden die Schlitzer Grafen in den Reichsgrafenstand erhoben. Das Schlitzerland wird zur reichsunmittelbaren Grafschaft und die Landesherren überschwemmen ihren „Staat“ mit neuen Verordnungen. Alte überlieferte Rechtsnormen werden zusammengefaßt, überarbeitet und ergänzt. Eine dieser neuen Vorschriften ist die „Schlitzische Feuerordnung“ des Jahres 1737.

Zweizylindrige Windkesselspritze auf Schleife, Hans HAUTSCH, Nürnberg 1655
(Abb. :W. HORNUNG, „Feuerwehrgeschichte“, Kohlhammer-Verlag, Stuttgart 1990).

1.2 Die Schlitzische Feuerverordung von 1737

Neben einer Auflistung alter Verbote wie Flachsdörren neben dem Ofen, Rauchen und offenes Licht beim Dreschen, gibt sie auch Einblick in die Brandbekämpfung und -verhütung:
  • So sollen die Schornsteine auf „ordinären Häusern“ zweimal, „Backöfen und Essen-Camine“ aber viermal im Jahr vom Schornsteinfeger gefegt werden. Der hat darüber ein Verzeichnis zu führen.
  • Die Bürger der Stadt sind nach Straßenzügen in Rotten eingeteilt. Jede Rotte hat zwei Feuerleitern, drei Dachleitern mit Leiterhaken sowie zwei Feuerhaken. Mit Feuereimern sind sie nur notdürftig ausgerüstet, da im Ernstfall jeder seinen, mit Namen gekennzeichneten, ledernen Feuereimer mitzubringen hat, den er als junger Ehemann für die Stadt kaufen muß.
  • Weiterhin ist jede Stadtrotte und jedes Dorf mit zwei Wasserschlitten ausgerüstet, die mit Wasserzuber bestückt sind.
  • Für das Schlitzer Spritzenhaus sind mehrere Personen bestimmt, die einen Schlüssel haben.
  • Hier steht die „mit vielen Kosten angeschaffte große Wassersprütze nebst einigen Handsprützen“. Eine Einteilung für die Bedienung dieser Spritze gibt es aber nicht. Man setzt auf Schnelligkeit und belohnt den, der zuerst am Spritzenhaus ist und die Spritze anspannt. Denn wer die Spritze zum Brandherd bringt, wird mit 2 Gulden entlohnt.
  • Die Rottenführer haben dafür Sorge zu tragen, daß der durch die Stadt fließende Bach an den Stegen gestaut wird, um dort Wasser entnehmen zu können.
  • Eine besondere Aufgabe kommt den Angehörigen der Handwerkszünfte zu. Zimmerleute, Maurer, Dachdecker und Schornsteinfeger müssen am Brandherd erscheinen. Sie löschen, dringen in das Gebäude ein, retten und bergen.
  • Alle anderen Bewohner, Bürger, Tagelöhner und Handwerksburschen haben mit ledernen Eimern am Brandherd zu erscheinen, und die Nachbarn müssen die Butten mit Wasser vor ihre Tür stellen.

1.3 Soziale Absicherung der Löschenden

Durchweg alle Bürger sind somit in die Brandbekämpfung eingebunden. Jetzt ist die Stadt anfällig für Diebe und Plünderer. Deshalb muß in diesem Moment der „Wachtmeister mit einiger bewehrter Mannschaft in der Stadt parat stehen.“ (Mit Gewehren bewaffnete Mannschaft, vgl. die spätere Rettungswache, Kap. 2.1.2)

Drakonische Strafen erwarten den, der beim Diebstahl während eines Brandes erwischt wird: er soll „am Leib oder Leben nach Befinden exemplarisch gestraft werden.“ Dagegen gibt es schon eine soziale Absicherung für die Feuerwehrleute.

Wann jemand bey der Arbeit in Feuers-Not beschädigt worden, sol er ex publico geheylet werden, wo er aber gantz verdorben und zu seiner Hand-Arbeit untüchtig gemacht würde, ex publico veralimentiert werden.“ Neben den Vorschriften über Prävention und Brandbekämpfung, Strafen und sozialer Absicherung, gibt diese älteste Schlitzer Feuerordnung in ihren 31 Punkten aber auch einen Einblick in die Bauweise der Häuser. Wie bereits eingangs erwähnt, sind Ziegeldächer Luxus. Auch in Schlitz herrschen Stroh und Schindeln vor, doch sollen sie „ ... sowenig in als ausser der Ring-Mauer gelitten und auf dem Land dergleichen beachtet werden. Es sol auch in denen Schornsteinen oder in dem Rauchfang kein Quer-Balcken gezogen und gelitten werden. Auch sind die Feuer-Heerde an keine Oerter zu legen, wo etwa blosse höltzerne Balcken oder Ständer, dahin das Feuer schlagen könnte, vorhanden. Die Schornsteine aber sollen oberhalb zum Tach heraus geführt sein.“

Wunschträume die nichts ändern, da sich keiner diese Baumaßnahmen leisten kann. Diese Feuerordnung hat für den Zeitraum der Schlitzer Eigenstaatlichkeit Bestand.

1.4 Der Brand der Hallenburg

18 Jahre - bis 1755 - dauert es, bis ein Bügeleisen diese Feuerordnung ad absurdum führt. Des Grafen Hallenburg brennt und der in Lauterbach tätige Schlitzer Braumeister Johann Adolph WEISSBECK berichtet darüber:

„1755, den 23. May hat sich Ein unglück begeben in Schlitz. Da ist dem Herrn Graffen die Hallenburg abgebrändt.

Das feuer aber ist angegangen im 3ten Stockwerk durch die Weibern, welge gebügelt haben. Dan daß feuer durchgebrannt. Hat Ein balcken er Reicht, welge nachts um 3 Uhr ausgegangen in vollem feuer gestanden, das sie es nicht gewahr worden, biß in vollt getantzt bis zwelff uhr, daß sie fest geschlaffen haben, bis es frembt leut gewahr worden sindt, welge zugelauffen sindt und gesagt, es stündt das Haus in vollem Brandt.

 

Es wardt alles munter gemacht, aber es wart kein ErRettung denn die Spritzen in Schlitz ward ungangbar, daß sie zusehen mußten. Sie aber schickten auf Lauterbach und begehrt um Hilff, daß man ihnen die Spritz brächten. Es wardt die Glocken geläut in lauterbach. Da bin ich im brauhauß geweßen und geArbeit. Ist bey mir geweßen Johs. Reuell, Ein Steinmetz, und gesagt, Es brennt. Bin zugleich herausgegangen. Da hat es geheißen, Es währ in Schlitz und bränt die gantze Stadt. Ich bin gleich fort gelaufen auf Schlitz. Da ist es noch in Glut gewesen. Da hab ich den sahl in den gärden sehn einfallen. Es ward balt gelescht. Biß die Spritz von lauderbach kam, da wart es voll ausgelescht. Es wardt aber als in den Glut, was abgebrändt wart, daß sie noch 2 Tag zu thun gehabt.

 

Den anderen Tag aber haben sie den Schornstein wollen über Hauffen werfen. Da ist noch ein größerer Unglück vorgegangen. Es wolt es ein den anderen zuvorthun, daß Er bey den gnädigen Graffen gesehen würde, weil der Graff selbst dabey wahrt, Aber Es hat ihr gefehlt als für die Schornstein überhaupt werffen wollten, so sindt ihrer Drey Herr unter gefallen. Sie heißen mit Nahmen, die gefallen sindt, Johannes MANß (gewester Vogt) zu todt gefallen in stücker, Löhnardt KÖHLER, herrschaftlicher Steinmetz, vier Ribben Entzwey, ist noch an leben, Siemon FLEMMINGHOFF, Zimmermann, beyde Bein Entzwey, das Er muß an Krücken gehen.“

 

1.5 Der Stand der Schlitzer Feuerwehrtechnik 1755

Die Spritzen in Schlitz ward ungangbar.“ Vorbestimmte Einstellungen, keine Übungen, kein persönliches Engagement, keine Pflege und Wartung der Gerätschaften zeigen die Mängel der Verordnung auf.

Dennoch haben wir Grund zu der Vermutung, daß um diese Zeit schon einmal eine Wehr bestanden haben muß, da eine Gliederung derselben in der Feuerordnung von 1737 vorhanden ist. Anlaß dafür könnte die Brandkatastrophe 1717 in Ützhausen gewesen sein. Einteilungen durch die Schlitzische Feuerordnung sind ja vorhanden:

So sollen die Dachdecker und Schornsteinfeger „mit den Tachleytern“ die Dächer besteigen, andere wiederum werden mit Handspritzen, Feuerhaken oder „ledernen Eymern“ zur Brandbekämpfung beordert. Den Beauftragten der Löschwasserversorgung obliegt neben der Bildung von sogenannten „Eimerketten“ u.a. auch das Aufstellen der „großen Waschbütten“, in denen das Löschwasser zusammengeschüttet werden soll, „so die Weibspersonen fleißig herbey zu tragen haben.“ Ein jeder wird seinem Stand, seinen Fähigkeiten entsprechend eingeteilt. Alle sind angehalten, nach Kräften mitzuhelfen und so wird verständlich, daß eine Erscheinung der heutigen Zeit gänzlich fehlt: die Schaulustigen.

Unter Punkt 13 der Feuerordnung wird eine „mit vielen Kosten angeschaffte große Wasser-Sprütze“ erwähnt (die erste fahrbare Feuerspritze im Schlitzerland). Ihre Bedienung gehört mit zu den Pflichten der sogenannten Feuerrotten, von deren Aufgaben an anderer Stelle noch berichtet wird.

Was man sich 1717 noch mit festem Vorsatz vornimmt und 1737 in Worte faßt, muß 1755 nicht mehr funktionieren. Der Schock, daß fast ein ganzes Dorf abbrennt, wirkt da nicht mehr - er liegt schon mehr als eine Generation zurück. So verwundert es nicht, daß nach fast vier Jahrzehnten ohne großen Brand die teure Spritze beim Brand in der Hallenburg nicht mehr funktioniert.

Brand in einer Seifensiederei (18. April 1682). Die damalige Löschtechnik kannte noch keine Spritze mit Saugwerk,
wohl aber lederne Druckschläuche (Jan van der HEYDEN, 1673/ „Schlangenspritzen“).
Angedeutet: Die Löschwasserzuführung mittels lederner Zubringerschläuche von höher positionierten Wasserbehältern. (Abb.: Deutsche Feuerwehrmuseum, Fulda)