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In der feuerwehrtechnischen Entwicklung gibt es trotz wirtschaftlicher Talfahrt (bis 1932/33 7 Mio. Arbeitslose) und der sich abzeichnenden politischen Umgestaltung keinen Stillstand. Im Gegenteil: 1934 gibt es die ersten Feuerwehrautos mit Dieselmotor, und bis 1939 hat sich beim Bau von großen Löschfahrzeugen der selbstzündende, vergaserlose Schwerstarbeiter unter den Verbrennungsmaschinen überall durchgesetzt. 1934 baut MAGIRUS Flugplatz-Tanklöschfahrzeuge auf geländegängigem Dreiachs-Fahrgestell. Nach den Richtlinien des Luftwaffenministeriums werden Sonder- und Löschfahrzeuge für Flugplatz-Feuerwehren entwickelt.
1936 baut MAGIRUS erstmals Löschfahrzeuge mit Vorbaupumpe und eingeschobener Tragkraftspritze in einer Serie von 100 Stück. Ebenfalls 1936 verfügen die Ministerien des Inneren und der Luftfahrt die Normung von Hydranten und Schlauchkupplungen (A,B,C und D). Bis 1939 sind schon „Super-Kraftfahrdrehleitern“ wie die MAGIRUS DL 45 und die METZ DL 46 auf DAIMLER-Fahrgestellen im Einsatz. Die Firmen MINIMAX, TOTAL und GLORIA sind bei der Entwicklung von Pulver-, Schaum- und Naßlöschern weit vorangekommen. Außerdem gibt es Kleinmotorspritzen von 800 l/min bei 80 m Förderhöhe und dergl. mehr.
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten bleiben die Feuerwehren zunächst unangetastet. Infolge der ideologischen „Angliederung an die nationale Erhebung“ und durch die „innere Verbundenheit mit Deutschland“ müssen jedoch alle „nichtarischen“ Mitglieder aus den Feuerwehren ausscheiden. Diese Maßnahme wird in Schlitz zu dieser Zeit nicht besonders gewichtet, zumal die zur Wehr zählenden jüdischen Mitbürger in der Vergangenheit bei den angesetzten Übungen „meist verhindert“ waren.
Am 1. Januar 1934 tritt das „Gesetz über das Feuerlöschwesen“ in Kraft. Die im Gesetz vorgesehenen Provinzial- und Kreisverbände (Körperschaften des öffentlichen Rechts) sind Rechtsnachfolger der bisher bestehenden Verbände (Vereine). Die Satzungen bleiben davon unberührt. Die Feuerwehren werden den Polizeiaufsichtsbehörden unterstellt. Freie Wahlen innerhalb der Wehren sind hiermit abgeschafft und durch das Führerprinzip ersetzt.
„Führerprinzip“: Dieser oft zitierte Begriff bedeutet in der Umsetzung: Feuerwehrführer werden jetzt von der Führerschaft der Wehr vorgeschlagen und ernannt. In den höheren Rängen, z.B. bei Wehrführern oder deren Stellvertretern, bedarf es - wie gehabt - noch der Bestätigung durch die Kreisführung und der abschließenden Amtseinführung durch den Bürgermeister. Es bleibt auch dabei, daß die qualifiziertesten Kameraden mit Führungsaufgaben betraut werden. Parteipolitische Überlegungen spielen hier keine Rolle.
Im Jahre 1935 treten die neuen Reichssatzungen in Kraft, die dann auch für das Land Hessen und für die Gemeinden (1936) - mit unwesentlichen Abänderungen - Gültigkeit erlangen.
Weiterreichende Auswirkungen hat das am 23. November 1938 in Kraft tretende „neue Feuerlöschgesetz“. Sämtliche Brandschutzangelegenheiten fallen nun in den Aufgabenbereich des Reichsministers des Inneren. Die Aufgaben sind ihrer rechtlichen Natur nach polizeiliche und damit staatliche Angelegenheiten. Alle Veröffentlichungen in der Heimatpresse, so sie Feuerwehrangelegenheiten betreffen, beginnen nun mit: „Die Feuerlöschpolizei Schlitz... “! Soweit die wichtigsten Rahmenbedingungen für die Freiwilligen Feuerwehren im Dritten Reich.
Hinzu kommen zwischenzeitlich noch zahlreiche Runderlasse, Ausführungsbestimmungen und ergänzende Verordnungen wie z.B. für den 1934 eingeführten „neuer allgemeiner Feuerwehrgruß“, der nun „Wehr Heil Hitler“ lautet. Der Gruß des Wehrführers vor der angetretenen Wehr heißt: „Feuerwehrkameraden Heil!“ Die Erwiderung durch die Mannschaft: „Es lebe Deutschland!“
Im April 1935 heißt es: „Als Gruß gilt der Deutsche Gruß (hochheben des rechten Armes)!“ Die Grußpflicht wird im April 1938 nochmals geändert und hat nun folgende Ausdrucksform: Gruß des Wehrführers: „Feuerwehrkameraden Heil!“ Erwiderung durch die Mannschaft: „Heil Hitler!“ Inwieweit all diese Anordnungen vor Ort befolgt wurden muß dahingestellt bleiben.
Die Dienstbezeichnung des leitenden Feuerwehrführers änderte sich im Laufe der Zeit wie folgt:
Bis 1934: „Kommandant“; im Dritten Reich: „Wehrführer“; nach dem Wiederaufbau Ende der 40er Jahre: „Ortsbrandmeister“; 1972 nach der Gebietsreform: wieder „Wehrführer“.
(Quelle: Protokollbücher)
Auch unter dem NS-Regiment bleibt die Aufstellung einer Feuerwehr sowie Beschaffung und Unterhaltung der notwendigen Feuerlöscheinrichtungen eine Selbstverwaltungsaufgabe der Gemeinden. An ihrer Spitze steht - als Direktor der Wehr - der Bürgermeister.
Im Oktober 1933 wird der verdienstvolle Bürgermeister Dr. Fritz NIEPOTH von den neuen Machthabern entlassen. Nach einer Übergangszeit übernimmt der ehemalige Vockenroder Dorfschullehrer KLOSTERMANN das Bürgermeisteramt. Dieser verläßt bereits nach fünf Monaten wieder Schlitz und wird als Bürgermeister durch den erst 31-jährigen Dipl.-Ing. Karl SCHMIDT aus Eichenrod ersetzt. SCHMIDT kommt am 13. November 1934 am Sandlofser Bahnübergang bei einer Kollision seines Kraftwagens mit einem Triebwagen der Reichsbahn ums Leben.
Nach einer mehrmonatigen Pause übernimmt im August 1935 der aus Heidesheim stammende Georg DITTEWICH die verwaiste Bürgermeisterstelle. Er kommt als „Chef“ der Wehr seiner Aufgabe in vorbildlicher Weise nach. DITTEWICH macht es sich zur Gewohnheit, bei allen Vorstandssitzungen (bzw. Führerbesprechungen), Jahresversammlungen, Unterrichtsabenden und Inspektionen sowie bei fast allen Übungen anwesend zu sein.
Zu den unpolitischen Neuerungen zählt die im April 1933 vorgenommene taktische Neugliederung der Wehr. Aus den bisherigen Abteilungen werden drei Züge gebildet:
Der 1. Zug umfaßt die Mannschaften der Motorspritze mit Schlauchwagen und der mechanischen Leiter.
Zugführer ist der Gastwirt Heinrich SCHAUB.
Der 2. Zug wird aus den Mannschaften der II. Spritze, der I. Hydrantenabteilung und den kleinen Leitern (Haken- und zweiteilige Schiebeleitern) gebildet.
Dieser Zug wird von Landwirt Friedrich ZÖLLER angeführt.
Der 3. Zug setzt sich zusammen aus den Mannschaften der III. Spritze und der II. Hydrantenabteilung sowie aus der Mannschaft der bisherigen I. Spritze, die jetzt als „Absperrabteilung“ eingesetzt wird und für die Aufgaben Retten, Bergen und den Ordnungsdienst verantwortlich ist.
Zugführer ist der Gräfl. Kammersekretär Willi HEIDKAMP, der 1934 wegen Erreichung der Altersgrenze durch Sattlermeister Wilhelm IHLE ersetzt wird.
Nach dem neuen Feuerlöschgesetz sind die bestehenden Pflichtfeuerwehren umgehend in Freiwillige Feuerwehren umzuwandeln. In Schlitz steht man diesem Verlangen aufgrund der in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen zunächst ablehnend gegenüber. Es bedarf erst der „Intervention“ des Kreisfeuerwehr-Dezernenten KESSEL, der am 13. Mai 1934 nach einer Inspektion und einem richtungweisenden Appell die Mitglieder der Wehr auffordert, sich durch Unterschrift zur Freiwilligkeit zu bekennen. Nach zweimaliger (!) Aufforderung sind 105 Feuerwehrmänner dazu bereit. Damit ist die Neugründung der Freiwilligen Feuerwehr Schlitz vollzogen. Der Mitgliedsbeitrag wird auf 0,50 RM im Jahr festgesetzt.
Für den aus „Gesundheitsgründen“ ausscheidenden I. Kommandanten Kurt MOHR wird der bisherige II. Kommandant Schuhmachermeister Heinrich BECKER mit der Führung der Wehr beauftragt. Zum II. Kommandanten wird Maurermeister Georg SCHMIDT ernannt.
Im Februar 1935 verkündet die Kreisfeuerwehrführung: „Alle Feuerwehren des Kreises Lauterbach sind Freiwillige Feuerwehren!“
Die am 21. Februar 1937 abgebrannte Scheune der Ww. SCHNEIDER in der „Adolf-Hitler- Straße“ (heute Salzschlirfer Straße 46/Garagenanbau). Bekämpft wurde der nächtliche Brand mit zwei Handdruck- und der Flader-Motorspritze. Wasserentnahme aus Hydranten und über eine B-Leitung aus dem Sengelbach, wobei ca. 40 m Höhenunterschied zu überwinden waren.
1934 wird der Kreis Lauterbach auf Anordnung der Kreisbehörde in vier Löschbezirke aufgeteilt. Schlitz und das Schlitzerland bilden den II. Bezirk unter der Führung des Schlitzer Kommandanten. Weiter wird angeordnet, daß alle vier Jahre ein Kreisfeuerwehrtag abzuhalten ist. In der Zwischenzeit sollen sogenannte „Bezirksfeuerwehrtage“ stattfinden. (Der 1. Feuerwehrtag des Löschbezirks II findet am 18. Oktober 1936 in Schlitz statt).
Im September 1934 wird in Deutschland die Reichsfeuerschutzwoche (heute „Brandschutzwoche“) eingeführt.
In Schlitz nimmt sie folgenden Verlauf:
- Am Morgen des 23. September (dem abschließenden Sonntag) Gottesdienstbesuch der gesamten Wehr.
- Anschließend Heldengedenken am Ehrenmal auf dem Friedhof mit Ansprache des Kommandanten.
- Am Nachmittag Feuerlöschübung auf das angenommene Brandobjekt Metzgerei SCHLÖRB (heute Haus LANG, Brauhausstraße).
- Nach Beendigung der Übung „Umzugsmarsch durch die Straßen der Stadt“ mit abschließender Ansprache des Schriftführers, Brandmeister Christian KARN.
Um die finanzielle Lage der Wehr zu verbessern, wird mit der Werbung von passiven Mitgliedern begonnen. Auch die örtlichen Betriebe werden angesprochen und um einen Jahresbeitrag gebeten. Die Resonanz ist, wie es heißt, „gut“. Der Kassenbestand der Wehr wird Anfang 1935 (die Beiträge der aktiven Mitglieder inbegriffen) mit 433 RM beziffert.
Im Oktober 1934 liegen der Wehr die gesetzlichen Richtlinien sowie detaillierte Abbildungen der reichseinheitlichen Uniformierung vor. Sie besteht für die Mannschaft aus der üblichen zivilen Hose, einem dunkelblauen Tuchrock mit Schulterstücken, einem Lederkoppel mit Schulterriemen sowie dem vorhandenen schwarzen, messingbewehrten Lederhelm mit Kokarde.
Für die Führerschaft und die FW-Kapelle sind Schirmmützen vorgesehen, die vom Träger selbst bezahlt werden müssen. Überhaupt bereitet die Finanzierung erhebliche Schwierigkeiten: Eine erhoffte und zweimal beantragte Bezuschussung wird von der Brandkasse abgelehnt, aber auch der Kreis hält sich bedeckt. Der Feuerwehretat der Stadt beträgt in den Jahren 1934 und 1935 je 750 RM. Es kommt zu Haushaltsüberschreitungen und zu einer leeren Feuerwehrkasse. Die Einkleidung gerät in Verzug, so daß am 1. Mai 1935, am Tag der Arbeit, nur das „Aushängeschild“ der Wehr - die FW-Kapelle - in blau auftreten kann.
Die Feuerwehrkapelle nach der Uniformierung im Jahr 1935.
Obere Reihe: Hans WINK, Hans SCHÄFER (Sandlofs), Georg BOHL, Leonhard BERNGES (Ützhausen), Heinrich HAHN, Heinrich JÖRG (Sandlofs)
Mitte: Philipp SUPPES, Karl KRUPPERT, Heinrich SCHÄFER (Bernshausen), Valentin HAHN (Kapellmeister), Heinrich HÜHN, Heinrich FISCHER (Bernshausen)
Sitzend: Georg KRUPPERT, Georg SIPPEL, Heinrich GERBIG, Hans SCHNEIDER, Adam HÜHN, Heinrich DÖRING (Bernshausen)
(Foto: A. BOGEN, Schlitz).
Der Versuch, private Sponsoren zu gewinnen, scheitert. Auch Graf FRIEDRICH WILHELM von Schlitz genannt von Görtz winkt ab, erklärt sich aber zur Zahlung eines jährlichen Beitrages in Höhe von 100 RM bereit. „Spendenfreudig“ zeigt sich nur die Bezirkssparkasse, die ebenfalls 100 RM überweist.
Im Februar 1936 - die Wehr ist mit 1.346,02 RM verschuldet und muß ein Darlehen aufnehmen - veranstaltet die FW-Kapelle zu Gunsten der Uniformierung ein öffentliches Konzert. Der Erlös mindert das Defizit um 194 RM.
Vollständig eingekleidet präsentiert sich die Wehr erstmals im Sommer 1936 anläßlich der Schwimmbad-Einweihung und des Schlitzerländer Trachtenfestes.
Bleibt noch anzumerken, daß die Uniformröcke von einheimischen Schneidern und das Lederzeug von Sattlermeister IHLE angefertigt wurden. Die Gesamtkosten dieser Bekleidungs-Aktion konnten leider nicht mehr ermittelt werden.
Alle NS-Propaganda kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Feuerwehren in den ländlichen Gemeinden unter einer äußerst schlechten Finanzlage leiden. Die Stadt Schlitz hat keinerlei finanziellen Spielraum. Bürgermeister DITTEWICH erklärt Ende 1935: „Kreditüberschreitungen im städtischen Haushalt sind ab sofort verboten. Widrigenfalls werde er persönlich haftbar gemacht.“
Außerdem seien die in den Jahren 1933 und 1934 von der Brandkasse gewährten Zuschüsse von 50% auf heute 12% zurückgenommen worden. Die Kasse müsse zur Zeit „Mittel für Arbeitsbeschaffung und Heereszwecke dem Reich überlassen“.
1935 können zwar einige „MINIMAX-Apparate“ (Naßlöscher) und „KOMET-Löscher“ angeschafft werden, die, auf einen fahrbaren Untersatz montiert, von einem sogenannten „MINIMAX-Trupp“ bei Entstehungsbränden eingesetzt werden. Ansonsten bleibt es bei Ersatzbeschaffungen wie Schlauchmaterial, Schlauchhaspeln, Rauchmasken, Taschenlampen etc. ...
Ende 1936 steht der Bau eines neuen „Spritzenhauses“ zur Diskussion, dessen Notwendigkeit vom Bürgermeister besonders betont wird. Denn noch immer sind Feuerwehrgeräte in dem angemieteten Gebäudetrakt im Vorderburger Hof untergebracht (Miete: 60 RM im Jahr). Aus finanziellen Gründen bleibt es jedoch bei der Planung. 1937 soll ein Spielmannszug gegründet werden; selbst dieses Vorhaben scheitert an den Kosten.
Im gleichen Jahr steht die dringende Überholung der 10 Jahre alten Motorspritze an. Es entstehen Kosten in Höhe von 200 RM. Die Brandkasse übernimmt in diesem Fall 40% des Betrages, die restlichen 120 RM werden prozentual zur Einwohnerzahl auf die Schlitzerländer Gemeinden umgelegt.
Die FW-Kreisbehörde berichtet zwar von großen Erfolgen bei der Beschaffung von Motorspritzen, der Feuerlöschbezirk II - das Schlitzerland - geht jedoch leer aus, weil mit der Schlitzer Motorspritze schon eine „Bezirksspritze“ vorhanden ist!
Uniformierung der Feuerwehrführer
Von links nach rechts: Hauptbrandmeister (mit Degen), Brandmeister, Kreisfeuerwehrinspektor (mit Degen) und Löschmeister (Quelle: FFW Fulda-Mitte, Festschrift 1988, S. 95).
Neben den sechs Geräteübungen im Jahr müssen nun noch acht Unterrichtsabende abgehalten werden. Obwohl diese theoretischen Schulungen auch als Plattform für parteipolitische Ansprachen dienen, wird der Ausbildungsstand der Wehr doch erheblich verbessert. Neue Vorschriften für das Fuß- und Geräteexerzieren treten in Kraft. Die „Löschhilfe über Land“ wird auf einen Umkreis von exakt 7,5 km festgelegt und es dürfen nicht mehr als 25 Feuerwehrmänner eingesetzt werden.
Auf Einladung des Fuldaer Kreisfeuerwehrverbandes nimmt die FW-Kapelle und eine Abordnung von 13 Kameraden an dem am 30. Mai 1935 angesetzten 1. Provinzial-Feuerwehrtag teil.
Waldbrandübungen werden eingeführt; der MINIMAX-Trupp soll als Stoßtrupp eingesetzt werden. Die zusätzliche Ausrüstung besteht aus Besen, Rechen, Hacken und Spaten.
Ein Ausscheiden aus der Freiwilligen Feuerwehr kann nur aufgrund eines vom Kreisamtsarzt ausgestellten Attestes erfolgen!
Unentschuldigtes Fehlen bei Übungen wird bestraft: Einmaliges Fehlen kostet den Säumigen 3,-- RM, beim zweiten Mal werden 5,-- RM und beim dritten Mal 10,-- RM fällig!
Anläßlich des Kreisfeuerwehrtages am 6./7. Juli 1935 in Lauterbach wird erstmals ein „großer Brandangriff mit Luftschutzübung“ durchgeführt.
Neue Dienstbezeichungen werden eingeführt: Nachdem ab Mai 1934 die Zugführer im Rang eines Brandmeisters stehen, gibt es jetzt den Oberfeuerwehrmann, den Lösch-, Brand-, Oberbrand- und Hauptbrandmeister. Der Wehrführer steht im Rang eines Hauptbrandmeisters, sein Stellvertreter in dem eines Oberbrandmeisters.
Die Wehr ist zur Teilnahme an nationalen Gedenktagen, Kundgebungen und Versammlungen der NSDAP in Uniform verpflichtet. Wer in Zivil erscheint zahlt 3,-- RM Strafe! 1938 wird von der Parteiführung moniert, daß die Feuerwehr die NS-Versammlungen zwar besuche, die Teilnehmerzahl lasse jedoch zu wünschen übrig.
Am 25. Oktober 1935 feiert die Wehr irrtümlich das 75-jährige Bestehen der Schlitzer Feuerwehr. Im Protokollbuch findet man unter dem genannten Datum die Anmerkung: „Es sei auch nicht vergessen, daß aufgrund der Akten, welche sich beim Kreisamt Lauterbach befinden, unsere Wehr nicht 75 Jahre, sondern schon seit 1848 besteht, und somit 87 Jahre alt ist.“ Daraufhin wird in der Folgezeit das Jahr 1848 als Gründungsjahr zugrunde gelegt.
Als am Abend des 28. November 1935 gegen 19 Uhr die aufheulende Feuersirene den abendlichen Frieden stört und das aufgeregte Tuten der Signalisten in den Straßen und Gassen widerhallt, sieht sich die Wehr alsbald vor eine schwere Aufgabe gestellt:
Im Kesselhaus des METZENDORFschen Sägewerks in der Bahnhofsstraße (heute Betriebsgelände der Post) ist ein Brand ausgebrochen, der in Windeseile den ganzen Maschinenraum erfaßt, auf die Säge- und zwei weitere Hallen überspringt und in den gestapelten Holzvorräten reichlich Nahrung findet.
Glück im Unglück bedeutet, daß das Sägewerk wesentlich tiefer liegt als das Niveau der Bahnhofsstraße, und daß der böig auftretende Südwestwind die Funkengarben stadtauswärts Richtung Turnhalle treibt. Stark gefährdet sind eine weitere Lagerhalle und eine mit Stroh gefüllte Scheune in unmittelbarer Nähe des schönen SCHRADERschen Fachwerkhauses.
„Über drei Stunden wütete der Brand ..., mächtige Feuersäulen ..., der Himmel war so stark gerötet, daß man in den Nachbargemeinden glaubte, ein ganzes Stadtviertel stehe in Flammen ... . Die Funken flogen sehr weit und der mit Stroh gefüllte Schuppen der Firma Georg THÖT fing einige mal Feuer. Mit MINIMAX-Apparaten wurde es aber immer wieder gelöscht ... . Der Freiwillige Arbeitsdienst Bernshausen rückte im Eilmarsche zur Brandstelle. Durch sein Eingreifen wurden viele Bretter und Hölzer gerettet.“ So die auszugsweise wiedergegebenen Formulierungen im Schlitzer Bote vom 29. November 1935.
Folgerichtig wird die Motorspritze von der Langen Wiese her eingesetzt, mit Wasserentnahme am Schlitzfluß. Die übrigen Saug- und Druckspritzen, darunter auch die Hallenburger Fuhrspritze, bekämpfen den Brand von der Straßenseite her. Sie entnehmen das Löschwasser aus Hydranten und dem Sengelbach in der Günthergasse.
Mit 8 Strahlrohren (!) kann der Brand lokalisiert und das gefährdete Wohnhaus SCHRADER sowie die Häuserreihe SCHÄFER, ZÖLL (Bahnhofstraße) und EURICH (heute Schloßgartenweg) vor dem Übergreifen des Feuers geschützt werden. Der geschätzte Gesamtschaden beträgt ca. 60.000 RM.
Das völlig zerstörte METZENDORFsche Sägewerk nach dem Brand am 28. November 1935 (Fotos: Ernst DECHER, Schlitz).
Im Januar 1936 wird die Führerschaft der Wehr über die Stellung der Feuerwehr und ihre Aufgaben im Dritten Reich unterrichtet: Im „Luftschutz der Vaterländischen Verteidigung“ oder „im Einsatz mit militärischen Gesichtspunkten“ sowie den Aufgaben in polizeilicher Hinsicht! Zum ersten Mal wird im Protokoll vom 16. Januar 1937 von der Umwandlung der Freiwilligen Feuerwehr in eine Feuerlöschpolizei geschrieben (vgl. Kap. 6.12).
Nachdem bereits ab 1934 jedem Feuerwehrzug ein Sanitäter angehören muß, wird nun von einer Sanitätskolonne (amtlich Halbzug) berichtet, die unter der Leitung von Wilhelm HEIDKAMP steht. Ab diesem Zeitpunkt nimmt diese DRK-Abteilung (später unter Führung von Johannes RÜMPLER) an jeder größeren Feuerwehrübung teil und ist bei Bränden mit im Einsatz. Da auch auf kameradschaftlicher Basis zusammengearbeitet wird, wird das DRK praktisch zum Partner der Wehr.
Am 6. September 1937 findet in Schlitz die erste größere Luftschutzübung statt. Übungsobjekt ist die Weberei der Fa. GG. LANGHEINRICH in der Annahme, daß ein Luftangriff mit Brand- und Kampfstoffbomben stattgefunden hat. Dem Protokoll ist zu entnehmen, daß die Fa. LANGHEINRICH zu diesem Zeitpunkt bereits über eine eigene Betriebsfeuerwehr - ausgerüstet mit Feuerlöschern und einer stationären Löschwasserleitung - verfügt und auch eine Luftschutztruppe hat.
Die finanzielle Lage der Wehr hat sich 1937 deutlich verbessert. Der Kassenbericht schließt mit 3.180 RM auf der Einnahmenseite und mit 3.136,99 RM auf der Ausgabenseite ab.
Am 11./12. Januar 1938 findet auf Anordnung des Reichsluftschutzbundes im Kreis Lauterbach eine „große Verdunklungsübung“ statt. Der 2. Zug der Wehr hat den Kontrolldienst bei Fahrzeugen und der Verdunklung der Wohnungen durchzuführen.
Am 22. Januar 1939 wird in der Geschichte der Wehr der 1. größere Kameradschaftsabend abgehalten. Auf dem Programm stehen die Aufführung des Zweiakters „Die allerwelts Käthe“ durch die Spielschar und ein Konzert der FW-Kapelle mit anschließendem Tanz und einer Tombola. Uniformierte haben freien Eintritt. Zivilisten (passive Mitglieder) zahlen 0,50 RM. Der Abend wird ein voller Erfolg, der Reinerlös beträgt 123,01 RM.
"Die Front aller angetretenen Wehren wird abeschritten"
"Eine Wehr im Ansturm während des Alarms"
(Fotos u. Bildtext: "Oberhessische Tageszeitung" vom 21. Juni 1937)
Wehrführer BECKER, der am 10. August 1939 sein 25-jähriges Dienstjubiläum feiert, wird am 26. August - fünf Tage vor Kriegsausbruch - zur Wehrmacht einberufen. Die Wehrführung übernimmt Oberbrandmeister Heinrich SCHAUB. Der Kriegsbeginn ruft viele Feuerwehrmänner zu den Waffen. Nachdem auch Schriftführer KARN einberufen worden ist, wird die Protokollführung eingestellt. Durch die Einbeziehung älterer FW-Männer kann die Wehr auch während des Krieges ihre Aufgaben erfüllen.
BECKER wird am 30. März 1940 für besondere Verdienste im Feuerlöschwesen in Schlitz und Schlitzerland mit dem Feuerwehr-Ehrenkreuz ausgezeichnet. Ende 1940 wird er wegen Erreichung der Altersgrenze aus dem Heeresdienst entlassen und übernimmt sofort wieder die Wehr.
Nach dem Gesetz über das Feuerlöschwesen vom 23. November 1938 werden im Jahr 1940 (in Schlitz im Mai d. J.) gemäß § 6 „die von Freiwilligen Feuerwehren gebildeten Vereine und Verbände“ aufgelöst. Anstelle der Vereine tritt eine „nach Löscheinheiten gegliederte Hilfspolizeitruppe.“ Diese Maßnahme hat für die Schlitzer Wehr nur eine formelle Bedeutung und führt vor Ort zu keinerlei Veränderungen.
Was das Brandgeschehen in den Jahren 1933 bis 1945 betrifft, so kommt es in Schlitz, neben dem bereits kommentierten Sägewerksbrand, nur zu vier Kleinbränden und einem Scheunenbrand.
Löschhilfe wird geleistet bei einem Großbrand am 7. Oktober 1935 in Bernshausen (Hofreite FISCHER) und während des Krieges in Pfordt (Anwesen GESSNER/EURICH), in Unterwegfurth (Anwesen RINNER), in Oberwegfurth (Anwesen FISCHER) und in Sandlofs (Anwesen FEICK).
Schweres Löschgruppenfahrzeug LF 15, Baujahr 1941, von KHD, Werk Ulm (MAGIRUS)
(Foto: Deutsches Feuerwehrmuseum, Fulda).